Die verflixten 20 Sekunden


Bern – Schweiz Freitag, den 24. September 2010 – 19.00 Uhr Ankommend mit dem Zug von Zürich nach Bern, bot sich bei der Einfahrt in den Bahnhof ein wunderbares Bild von der berner Altstadt, beleuchtet von einem Lichtkegel der Sonne und ringsherum versank die Stadt in Finsternis und düsteren Wolken. Mittendrin befand sich ein kleiner Regenbogen. Zuvor hatte es den ganzen Nachmittag gestürmt und geregnet wie aus Kübeln. Ein sagenhaftes Bild erbickte ich da aus dem Zug heraus und aus der Betrachtungsweise des Fotografen würde man sagen ein sagenhaftes Motiv. Da der Anschlusszug wegen Verspätungen sowieso vor der Nase abfahren würde, beschloss ich so schnell es geht auf ein geeigneten Platz zu eilen um diese einzigartige Lichter- und Wolkenstimmung mit meinem kleinen Fotoapperat einzufangen, denn die Vorbeifahrt bei der Szenerie ging zu schnell, ich hatte keine Zeit spontan ein Foto zu machen. Wie vorgenommen, so in die Tat umgesetzt. Ich lief so schnell es ging durch den überfüllten und hektischen Hauptbahnhof Bern, bog ins Bollwerk und beeilte mich in Richtung Lorrainebrücke, denn von dort aus könnte ich die Szene fotografisch sehr gut einfangen. Auf dem Weg dahin, musste ich das Problem einer älteren Dame mit zwei Koffern und die gesamte Strassenbreite besetzend überwinden. Sie meinte anscheinend noch im schnellen Tempo mithalten zu können, aber es dann doch nicht schafft. Deshalb begann sie extra zickzack zu laufen, immer über die Schultern nach hinten blickend, um zu sehen, ob ihre Schikane auch funktionierte?

Tat sie auch ne zeitlang, die Dame bremste mich erfolgreich aus, aber auch nur weil ich höflich bin, andere hätten da gnadenloses Schulterchecking betrieben gehe ich mal davon aus. Die Szene unbedingt einfangen zu wollen, gab ich halt noch mehr Gas und schaffte es doch noch neben diesem alten Stein im Weg vorbei zu gehen und sah schon die Brücke vor mir, wo ich hin wollte. Ca. 50m vor der Brücke bereits den Fotoapperat herausziehend, passierte es dann….. Die Sonne verschwand hinter tiefegrauen Wolken, die wunderschöne Szenerie fiel wie ein Kartenhaus zusammen und das Stadtzentrum fiel in das gewöhnliche Grau, das an jeden gewöhnlichen Regentag sich bot. Verdammt…… Wäre ich nur 20 Sekunden schneller gewesen, hätte ich die Szene buchstäblich auf den letzten Drücker fotografieren können. Wären diese labbernden Menschen im Bahnhof nicht gewesen, die nur im Weg standen, teilweise nicht mal auf den Zug müssen, sondern nur da rumstehen, rumlabbern mit einem Energydrink in der Hand, weils halt cool ist und vorallem dieser alte Stein nicht im Weg gewesen wäre, dann könnte ich jetzt ein tolles Foto präsentieren. Und was lernt man daraus? Das nächste Mal profilaxisch rennen oder gnadenloses Schulterchecken in der Praxis anwenden. Höflichkeit ist nicht immer die beste Tugend. Ich habe dann trotzdem noch ein Bild geschossen mit meiner kleinen Kompaktkamera um die düstere Stimmung festzuhalten.

[ Zurück ]